Unteres Eismeer

Grindelwalder Bergführer – von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert

Aus Gletscherhirten werden Bergführer

Die Talchronik von Grindelwald berichtet mehrmals von Gletscherhirten, die in der Stieregg, im Zäsenberg und im Challi, zwischen Eiger und Mettenberg am Unteren Grindelwaldgletscher Ochsen, Schafe und Ziegen gesömmert hatten. Das war genau das Gebiet, für welches sich um 1800 auch die fremden Besucher des Tales zu interessieren begannen.
Einige besonders (geschäfts-)tüchtige Gletscherhirten merkten bald, dass sie als Fremdenführer ihre kargen Einkünfte aufbessern konnten.
In den Anfängen des Bergsteigens haben viele Grindelwalder Bergführer ihre Laufbahn als Gletscherhirten und Fremdenführer begonnen.

Erste Bergführer

Die beiden Gletscherhirten Peter Baumann (geb. 1800) und Ulrich Wittwer (geb. 1794) haben 1826 als erste einen Herrn aus Deutschland von Grindelwald über das Finsteraarjoch zum Grimselpass geführt.
1828 waren die beiden zusammen mit fünf weiteren Grindelwaldern an der ersten Besteigung der Jungfrau von Grindelwald aus beteiligt.
Sie entdeckten dabei die Eigerhöhle «hinter dem Eiger», welche bis zum Bau der Bergli- und der Mittellegihütte den Bergpionieren als willkommene Unterkunft diente.
Baumann und Wittwer gehörten zu den ersten Grindelwalder Bergführern, welche in der Alpinliteratur erwähnt wurden.

Erstes Bergführerreglement des Kantons Bern 1856

Als der Kanton Bern 1856 das erste Reglement für Bergführer in Kraft setzte, war das «Goldene Zeitalter des Bergsteigens» bereits in vollem Gang. Ein Vertreter dieser Generation war Christen Michel (1817-1880). Seine Bergführerlaufbahn begann im Jahre 1845 mit der ersten Besteigung des Wetterhorns von der Grindelwaldseite her. Sein Meisterstück war die Erstbesteigung des Schreckhorns im Jahre 1861.

Mit der Inkraftsetzung des Bernischen Bergführerreglements 1856 wurden in den einzelnen Tälern sogenannte Führercorps gebildet, denen je ein Führerobmann vorstand. Die Führercorps besorgten den Wegunterhalt zu den neu gebauten Berghütten. Der Führerobmann sorgte dafür, dass das Reglement eingehalten wurde.

Ab 1856 erhielt auch jeder Bergführer ein Führerbuch, das gleichzeitig das Führerpatent war und das jedes Jahr vom Regierungsstatthalter erneuert werden musste. Dank den Einträgen der Touristen über die absolvierten Touren, können wir heute die Zeit des «Golden Age» gut nachvollziehen.

Christian Almer (1826-1898)

Christian Almer war unbestritten der erfolgreichste und bekannteste Grindelwalder Bergführer im Goldenen Zeitalter. Ihm gelangen rund 45 Erstbesteigungen im ganzen Alpenraum. Er wurde von den damals bekanntesten Engländern wie George, Moore, Hornby, Philpott, Whymper, Kitson und Tuckett engagiert. In späteren Jahren wurde er Leibführer von W.A.B Coolidge, welcher als Bergsteiger und Alpinjournalist 30 Jahre bis zu seinem Tod 1926 in Grindelwald wohnhaft war.

Seine wichtigsten Erstbesteigungen:
1857 Mönch, 1858 Eiger, 1862 Grosses Fiescherhorn, 1885 Aiguille Verte, Jorasse W-Gipfel, 1867 Lyskamm, 1870 Meije Central, 1875 Täschhorn S-Grat.
All diese Touren sind im Führerbuch von Christian Almer festgehalten.

Gründung des Bergführervereins Grindelwald 1898

Die oben erwähnten Führercorps setzten sich wenig für die eigentlichen Berufsinteressen der Bergführer ein. Deshalb wurden in den Tälern des Berner Oberlandes nach und nach Bergführervereine gegründet, die nicht direkt dem Staat unterstellt waren.
Im Tal von Grindelwald geschah dies 1898. Treibende Kraft für die Gründung des Bergführervereins Grindelwald war Pfarrer Gottfried Strasser, auch bekannt als Dichter und Förderer zahlreicher weiterer Institutionen im Grindelwaldtal. An der Gründungsversammlung vom 6. Februar 1898 amtete der als Tagespräsident. 43 Bergführer waren anwesend, genehmigten die Statuten und wählten den ersten Vorstand.

Der erste Paragraph der Statuten lautete: Der Bergführerverein Grindelwald ist eine Berufsgenossenschaft mit dem Zwecke, das Führergewerbe auf dem Platze Grindelwald zu fördern und die berechtigten Interessen des Führerstandes hier und im Berner Oberland überhaupt mit vereinten Kräften zu wahren. Sein Wahlspruch lautet: «Grindelwalder Führerschaft: Treue, Vorsicht, Mut und Kraft».

Grindelwalder Bergführer als Hüttenbauer und Hüttenbesitzer

Der Grundstein für die Tätigkeit als Hüttenbauer legten die Grindelwalder Bergführer in den Anfängen des Alpinismus, als es noch gar keine Hütten gab. Sie machten aus natürlichen Unterschlüpfen wie dem Gleckstein, dem Kastenstein oder der Eigerhöhle einigermassen bequeme Lagerstätten. Als dann die ersten Hütten gebaut wurden, waren Grindelwalder Bergführer beim Transport des Baumaterials und beim Bau massgeblich beteiligt. So bei der Berglihütte 1869 und der Schwarzegghütte 1877 und 1899 erhielt eine Gruppe von Führern den Auftrag zum Bau einer kleinen Schutzhütte am Weg zur Glecksteinhütte.

Mit dem Bau der Mittellegihütte 1924 wurde der Führerverein Grindelwald selber Hüttenbesitzer. 1998 kam die Hütte an der Ostegg dazu. 

Nach dem Brand des Touristenhauses im Jahre 1972 gab es im Jungfraujoch keine Möglichkeit mehr zum Übernachten. Eine mehrheitlich aus Grindelwalder Bergführern zusammengesetzte Genossenschaft baute deshalb 1979 eine Hütte im Oberen Mönchsjoch.

Mit dem Neubau der Mittellegihütte 2002 und 2019 und dem gelungenen Erweiterungsbau der Mönchsjochhütte 2004 haben die Grindelwalder Bergführer ihre Hüttenbautradition auf eindrückliche Art weiter geführt.

Vom Bergführerbüro 1957 zu Grindelwald Sports 2002

Als die Nachfrage nach Bergführern nach dem Zweiten Weltkrieg markant zurück ging, kam erstmals die Idee einer Bergführervermittlungsstelle auf. Verwirklicht wurde dieser Plan 1957, indem vorerst der Kurverein diese Aufgabe übernahm. Ab 1963 gab es dann ein eigenständiges Bergführerbüro.
In die gleiche Richtung wirkten zwei initiative Grindelwalder Bergführer als sie 1971 die Schweizer Bergsteigerschule Grindelwald gründeten. 1985 übergaben die beiden Gründer diesen Betrieb dem Bergführerverein, welcher ihn unter dem Namen Bergsteigerzentrum Grindelwald weiter führte. 1990 wurde eine Genossenschaft mit eben diesem Namen mit dem Zweck gegründet, ein Büro-Chalet für das Bergsteigerzentrum an der Dorfstrasse zu bauen.

Nach gut 10 Jahren wurde die Genossenschaft aufgelöst und das schmucke Chalet an der Dorfstrasse verkauft.
Der Skilehrerverein und der Bergführerverein gründeten 2002 als Mehrheitsaktionäre die Grindelwald Sports AG. Die zu dieser Firma gehörenden Schneesport- und Bergsportschule zügelte ins Sportzentrum und teilte die Büroräumlichkeiten mit Grindelwald Tourismus.
2012 erfolgte ein weiterer Umzug vom Sportzentrum in Geschäfts- und Büroräumlichkeiten auf der andern Strassenseite. Seither betreibt grindelwaldSPORTS dort auch ein Sportgeschäft und ein kleines Café.

Aus dem Vereinsleben

Der Bergführerverein setzt sich nicht nur für die Berufsinteressen seiner Mitglieder ein, sondern pflegt auch ein geselliges Vereinsleben. Dazu gehören Weiterbildungskurse, Bergführer-Klettertage, Teilnahme am internationalen Bergführerskirennen, der jährlich stattfindende Bergführerausflug, Durchführung von Bergführerabenden, Organisation von Jubiläumsfesten, Mithilfe an kulturellen und sportlichen Anlässen.